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Interview mit Max Thommesen von True Canvas

Wir haben Max Thommesen, dem Geschäftsführer von True Canvas ein paar Fragen zu ihm, seinem Studio und den aktuellen Herausforderungen der Pandemie gestellt. 

Wie lange tätowierst du schon?

Das erste Mal eine Tätowiermaschine in die Hand genommen habe ich 2015. Meine Freundin war zu dem Zeitpunkt hochschwanger und ich durfte nur ganz kurz auf Schweinehaut üben, bevor mein eigenes Bein herhalten musste. Sie hat den Geruch in unserer Küche leider nicht ertragen, wodurch ich zu meinen Übungsunterschenkeln gekommen bin.

Welche Stilrichtungen deckst du ab?

Ich arbeite hauptsächlich im Bereich Realismus, Tierportaits, Fotografien, Filmszenen. Zudem habe ich eine Leidenschaft für Kunst Replika und ab und zu reizt es mich komplett abstrakte Zeichnungen auf Haut umzusetzen, wobei es da nur "wanna do’s" gibt und ich keine Auftragsarbeiten annehme.

Welche Stile kannst du nicht mehr sehen?

Nicht mehr sehen? Solange ich sie nicht umsetzen muss, ist es mir eigentlich ziemlich egal, soll jeder das auf der Haut tragen, womit er sich wohlfühlt. Ich steche das was mir gefällt und wähle prinzipiell nur Projekte aus, mit denen ich mich wohlfühle. Mein Anspruch an jedes Tattoo ist so hoch, dass ich es auch auf der eigenen Haut tragen würde.

Wie bist du zum Tätowieren gekommen?

Ich war bis letztes Jahr Lehrer für Bildnerische Erziehung (der komplizierte Begriff für Kunst Unterricht in Österreich 😉), habe mich also in meinem Studium intensiv mit der Materie beschäftigt und immer schon viel gezeichnet. Irgendwann wollte ich selbst ein Tattoo und habe zig Entwürfe gezeichnet und nach einem Künstler gesucht, der meinen Wunsch umsetzen könnte. In der ganzen Wohnung lagen Zeichnungen verteilt und jedes Mal, wenn jemand zu Besuch kam, wurde ich gefragt, wieso ich das eigentlich nicht selbst mache. Also Tätowieren generell, nicht unbedingt auf meinem eigenen Rücken… Ein Freund von mir war sogar so begeistert, dass er anbot mir eine Maschine zu kaufen. Irgendwann kam dann der Moment, in dem ich dachte „Ach, warum denn nicht?“, ich bestellte eine Cheyenne Maschine (wenn dann gleich was g’scheites*) und holte Schweinehaut vom Fleischhauer.

Worauf sollten Leinwände/Kunden achten, wenn sie sich einen Tätowierer aussuchen?

Schau dir die bisherigen Arbeiten an und auch wie die Werke abgeheilt aussehen. Passt es auf einer persönlichen Ebene? Fühlst du dich wohl, wird wertschätzend mit dir umgegangen?

Was sollte in einem Tattoo Studio unbedingt gegeben sein?

Mal abgesehen von der Hygiene und den sterilen Einwegmaterialien, die eine Grundvoraussetzung sind? Ein gutes Klima im Studio, eine angenehme Atmosphäre, ein freundlicher Umgang untereinander.

Was geht beim Tätowieren gar nicht?

Wenn du das Gefühl hast, du bekommst nicht das was du dir wünschst oder du schon beim Auftragen des Stencils merkst, dass etwas nicht passt: Geh nach Hause und suche dir einen Künstler, der deinen Wunsch so erfüllt, dass du auch noch in den nächsten Jahren (und das sind viele!) Freude am Ergebnis hast.

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Kann man auch komplett planlos zu dir kommen, um mit dir ein Motiv zu erarbeiten?

Nein. Ich suche aus den eingesandten Projekten die aus, die ich umsetzen möchte. „Mach was du willst“ Projekte, mache ich maximal für meine Freunde. Ich habe das Glück so viele Anfragen zu bekommen, dass es auch gar nicht nötig ist Kompromisse einzugehen.

Die Maßnahmen der Regierung gegen die Pandemie hat die Tattoo Szene hart getroffen…

...wie geht dein Studio mit den Herausforderungen um?

Wir planen neue Projekte und werden den verlängerten Lockdown für die Renovierung unserer neuen Geschäftsfläche nutzen. Im ersten Lockdown haben wir unsere Webseite erstellt, im letzten LD haben wir einiges im Studio erneuert und ich habe meinen inneren Heimwerker (der gar nicht so minderbegabt ist, wie ich bis dato dachte) ans Werk gelassen.

 

Wie holst du die fehlende Zeit vom Lockdown auf?

Die fehlende Zeit ist kaum aufzuholen, in einem nicht skalierbaren Gewerbe wie unserem. In den nächsten Monaten tätowiere ich einen Tag mehr pro Woche als gewöhnlich und unsere Gäste, die hätten kommen sollen, kommen im Sommer – den ich dieses Jahr anstatt in Griechenland wohl auch im Studio verbringen werde.

 

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Welche Maßnahmen müssen beim Tätowieren getroffen werden, wenn der Lockdown vorbei ist?

Für uns ändert sich genaugenommen nichts im Vergleich zur letzten offenen Periode. Unsere Kunden dürfen das Studio nur mit negativem PCR oder Antigen Test aus der Apotheke, der nicht älter als 48 Stunden ist, betreten und wir und die Kunden tragen durchgehend FFP2 Masken. Unsere Räumlichkeiten erlauben es, dass wir an der gewöhnlichen Kundenfrequenz nichts ändern müssen. Begleitpersonen dürfen allerdings nicht mehr mitkommen und auch Besprechungen finden in der bisherigen Form nicht mehr statt, sondern nur noch via Telefon und E-Mail.

Wie schafft es dein Studio, in diesen schweren Zeiten zu überleben?

Wir haben gut gewirtschaftet und noch einen Puffer, von dem wir eine Weile zehren können. Ewig geht es so nicht weiter… Wir werden kreativ und ziehen an einem Strang. T-Shirts sind bereits in Auftrag gegeben, vermutlich entsteht in den nächsten Wochen ein Online Shop mit einigen Produkten unserer Tätowierer, je nachdem wie lange der Zustand noch anhält.

Kannst du auch positives aus den Erfahrungen der letzten Monate gewinnen?

Geschäftlich oder privat? Privat ist wesentlich einfacher: meine Kinder haben die schönste Kleinkindzeit, die man sich nur vorstellen kann, wir verbringen sehr intensiv Zeit miteinander, ich kann Momente mit meiner Familie erleben, die im normalen Arbeitsalltag gar nicht möglich gewesen wären. Das ist ein Gewinn, für den ich sehr dankbar bin.

Im beruflichen Kontext kann ich der Situation relativ wenig abgewinnen. Wir waren im letzten Jahr im Aufbau, haben gerade erst Anfang des letzten Jahres das Geschäftslokal vergrößert und hätten genau jetzt von all den Anstrengungen profitiert und begonnen die Früchte zu ernten. Das ist ein ziemlicher Schlag ins Gesicht. Aber wir werden uns erholen, werden gestärkt daraus hervorgehen und wissen wozu wir fähig sind und was wir schaffen können.

Willst du der Community noch etwas mit auf den Weg geben?

Abputzen, Kopf hoch, Krone richten und weiter machen. Es kommen bessere Zeiten.

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