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Interview mit Evelyn Weiß von Needle Project

Die Tattoo Szene steht Momentan vor heftigen Herausforderungen. Nicht nur Corona, sondern auch das anstehende Farbverbot bereitet viele Sorgen bei den betroffenen. Evelyn Weiß, Geschäftsführerin von Needle Project hat uns in einem Online Interview erzählt, wie sie damit umgeht.

Steckbrief von Evelyn Weiß

• geboren im Mai 1971
• aufgewachsen in Wimpassing/Grafenbach/Neunkirchen
• 2002 Ausbildungen Permanent Make Up, tätowieren
• 2003 Ausbildung piercen
• 2003 Befähigungsprüfungen für Piercing und Tattoo
• 2003: 1. Studio "Needle Project" in Salzburg
• 2017: 2. Studio "Evelyn Weiß - Needle Project" in Gloggnitz

Auszeichnungen

• 3. Platz "best of realistic", Augsburg
• 1. Platz "woman Large", Stuttgart
• 3. Platz "best of color", Wels
• 1. und 2. Platz "best of Portraits", Stuttgart
• 2. Platz "best of black and grey", Klagenfurt

 

Am 26.12 hat der Lockdown begonnen. Wie gehst du mit den Herausforderungen um?

Nun ja zum Lockdown: wie soll man damit umgehen? Man kann es nur auf sich zukommen lassen. Ich mache halt Vorbereitungen für die Kunden, die nach dem Lockdown Termin haben, natürlich ist es eine finanzielle Herausforderung. Drei Wochen geschlossen, dann zweieinhalb Wochen offen, jetzt wieder viereinhalb Wochen geschlossen… Die Rechnungen (Kredit, Leasingrate, Versicherungen und vieles mehr) gehen natürlich weiter, aber man hat keinen Umsatz. Das Einzige was wir tun können, dass wir nach dem Lockdown wieder so viel arbeiten, damit wir diese Zeit aufholen können. Natürlich funktioniert das nicht, dass man die 4 Wochen gleich wieder aufholen kann. Das verteilt sich über Monate.

Wie holst du die fehlende Zeit vom Lockdown auf?

Man kann nur vermehrt Termine machen an zum Beispiel freien Tagen, oder Wochenende, wenn normalerweise geschlossen wäre. Aber das geht natürlich auch sehr an die Substanz. Auch wenn man vorher drei Wochen in dem Sinn fast Urlaub hatte, ist es dennoch schwierig, sieben Tage durch zu arbeiten. Der Grund dafür ist, dass diese Arbeit sehr viel an Konzentration verlangt.

Aber gottseidank habe ich es jetzt in diesen zweieinhalb Wochen (zwischen den beiden lockdowns) so gemacht. Sonst könnte ich meine Zahlungen jetzt Anfang Jänner nicht wirklich bewältigen. Und die Hilfe, die großartig versprochen wurde, ist natürlich auch noch bei niemanden eingetroffen. 

Wie sieht es mit den Tattoo Terminen aus, die im Lockdown ausfallen?

Zum Ende des Lockdowns müssen die ausgefallenen Termine neu vergeben werden. um die Termine der drei Wochen vom 2. LD zu verschieben, habe ich letztens 8 Stunden benötigt. Da waren die Termine aber noch gar nicht von allen bestätigt, also hat das wahrscheinlich eh 10 Stunden gedauert.

Also zuerst Terminvergabe. (wobei ich jetzt halt keine Termine mehr zusätzlich hinein quetschen kann in den nächsten drei Monaten). Die 4einhalb Wochen die jetzt zu sind, kann ich dann erst ab April wieder machen. Schade für die Termine, die jetzt wirklich 3-4 Monate darauf gewartet haben. Manche sogar länger, weil sie unbedingt in den Weihnachtsferien kommen wollten (die von weiter her). In den nächsten Monaten habe ich schon die Termine vom letzten Lockdown an meinen freien Tagen teilweise untergebracht. Da kann ich nicht noch mehr machen. Man braucht dann trotzdem auch wieder Erholungsphasen.

Welche Maßnahmen müssen beim Tätowieren nach dem Lockdown getroffen werden?

Zuerst desinfiziere ich den Platz des Kunden, meinen eigenen Platz, Türgriffe, Toilette und so weiter. Vor der Tür habe ich ein Maßnahmen Blatt aufgehängt, welches meine Kunden eigentlich brav befolgen. D.h. beim Reinkommen im Empfangsbereich (bei mir ist es so) Schuhe ausziehen, Jacke aufhängen, Hände desinfizieren. Mund Nasenschutz ist schon oben.

Worauf muss man bei der Vorbereitung achten?

Man muss auf wirklich viel achten: Kugelschreiber desinfizieren, alles mit dem der Kunde eigentlich in Berührung kommt, ob es jetzt der Warteplatz ist, oder das Tischchen wo er sein Handy/Getränk ablegen kann, etc… Zu dem Zeitpunkt trage ich auch meinen Mund Nasenschutz. Der Tisch wird (wie auch ohne Corona) mit weißen Handschuhen desinfiziert und vorbereitet (eigentlich schon bevor der Kunde da ist).

Wenn der Kunde da ist wird dann noch der Rest gemacht: wieder mit weißen Handschuhen. Dann Farbtöpfchen, Vaseline, Nadeln und so weiter hergerichtet. Der Kunde füllt sein Einverständnis Formular aus (natürlich auch Datenschutz, und alles was dazugehört) und darf dann Platz nehmen.

Worauf achtest du wegen Corona beim Tätowieren besonders?

Beim Tätowieren selbst verwende ich zusätzlich noch ein Voll-Visier, welches unten enger anliegt. Da es ja heißt, dass der Mund Nasenschutz nicht genug Schutz bietet und die Schutz Visiere allein verboten sind, denke ich mir : doppelt gemoppelt ist besser. Wenn die weißen Handschuhe auf schwarze Handschuhe gewechselt werden, desinfiziere ich mir dazwischen ein weiteres Mal die Hände. Aber das ist ja auch ohne COVID der Fall.

Immer wieder alles desinfizieren ist das um und auf in unserer Branche, also ist das eh alles ganz normal. Nur eben MNS und Visier ist neu. Das Visier wird auch nach jedem Kunden ordentlich desinfiziert.  Und dann müssen wir halt sehen was sich die Regierung für uns ausgedacht hat: Testen lassen ist ja noch okay, da wir anscheinend eh nicht drum herumkommen. Aber impfen mit Zwang finde ich trotzdem eine Frechheit. Einen Eingriff in meinem Körper machen lassen, den ich absolut nicht möchte? Wohin soll das noch führen?

Was bedeutet das kommende Farbverbot von Grün7 und Blau15 für dein Studio?

Was das Farbverbot für uns bedeutet, kann ich mir noch gar nicht ausmalen. Wir haben jetzt noch zwei Jahre Zeit. Ab 4. Jänner 2023 tritt es dann in Kraft. Ich weiß nicht was dann passieren wird, da ich selbst sehr viel blau und grün auf meinen Körper habe, und das eigentlich auch noch weiterhin so machen möchte, will ich gar nicht darüber nachdenken. Da die Farben aber nur EU weit verboten werden, denke ich, dass viele Kunden oder Tätowierer sich die Farben woanders beschaffen werden.

Was ist das Problem bei Farben aus dem EU Ausland?

Bei diesen Farben wird dann erst recht zu Komplikationen kommen. Denn in Österreich und Deutschland, Schweiz werden die Farben wirklich ständig kontrolliert und getestet. Farben aus Amerika wissen wir, dass nicht so genau getestet werden, oder auch von Polen, Rumänien ... egal von wo her. Dort werden dann wahrscheinlich mehr Allergien oder Reaktionen auftreten. Und dem wollte die EU mit dem Verbot eigentlich entgegenwirken. Aber sehen wir einfach was auf uns zukommt.

Meine Befürchtung ist, dass es nicht beim Verbot von grün und blau bleiben wird. In einem Jahr kommt wahrscheinlich rot, dann gelb, usw… Aber wenn ich Farben auf meinem Körper haben möchte, dann weiß ich nicht, ob ich mir das verbieten lasse. 😓 Irgendein Hintertürchen gibt es immer.

Wie können wir in dieser Zeit überleben?

Gute Frage.

Da geht es nicht nur um Tattoo Studios, allgemein um alle Körpernahen Dienstleister. 😓 Ich bin nur froh, dass ich keine Angestellten mehr habe. Jetzt, wo ich mein kleines Studio habe, muss nur ich alleine überleben. Ich weiß nicht, wie es die anderen schaffen. Aber irgendwie geht es natürlich immer. Mein Problem ist halt auch, dass ich noch eine riesengroße Baustelle zu bezahlen habe nach einem Wasserschaden.

2020 waren es 11 Wochen Zwangsurlaub.

Da ich allein ein Haus zum Zahlen habe, und ich mir vor einem Jahr ein neues Leasing Auto genommen habe, ist das nicht leicht bewerkstelligen. Der Staat hat zwar schnelle, unbürokratische Hilfe versprochen, aber bis jetzt ist noch nicht viel gekommen. 😓 Nur das vom Frühjahr, aber seit November ist nichts mehr gekommen. 🤮

Kannst du irgendetwas positives aus den Erfahrungen der letzten Monate gewinnen?

Ich bin jetzt seit 17 Jahren selbstständig. Das meiste an Urlaub was ich bis jetzt hatte, waren drei Wochen in einem Jahr. Sonst hatte ich immer nur ein bis zwei Wochen. Urlaub. Die letzten vier Jahre überhaupt nur ein paar Tage... Ich dachte immer drei Wochen am Stück würde ich nicht „überleben“ 😅. Da man viel voraus arbeiten muss und dann auch viel im Nachhinein zusätzlich arbeiten muss, um diese drei Wochen wieder aufzuholen, habe ich mir das nie gegönnt. Nun ja... zumindest habe ich gesehen, dass es doch irgendwie geht.

Deshalb nehme ich mir fest für die kommenden Jahre vor, ein bisschen mehr Urlaub zu machen als bisher. Ein bisschen mehr Zeit für mich selbst nehmen.

Lieben Gruß und auf ein gutes (besseres) neues Jahr

Evelyn